Lebenskunst-Facetten – Reduktionskost oder Was wir von Diätratgebern fürs Leben lernen können
Trotz wüster Schwüre: keine Geschenke! kein Stress!, gerate ich jedes Jahr kurz vor Weihnachten unter Druck. Irgendwann habe ich das Gefühl, keine Geschenke sind auch keine Lösung und stürme los in die City. Heerscharen von Erzgebirgsengeln blicken mich an; Schal-Berge umfluten mich, wie Wasser den Felsen; Meere an Kochbüchern stehen – wie passend! – Massen an Diätratgebern gegenüber. Ein Witz, denke ich, dito die Diätbotschaft: Reduzier‘ und das Leben gehört dir!
So, erst mal Zwischenstopp bei Glühwein. „Mit oder ohne Schuss?“ Normal, einfach normal, stammele ich. Überfülle an Auswahl, Angeboten, Wahlmöglichkeiten. Andauernd werde ich gezwungen, mich gegen Massen an Alternativen zu entscheiden. Hier wie häufig bin ich genervt: Mir ist das alles zu viel hier! Produziert und nährt solch Überfülle nicht erst unsere Angst, wir könnten was verpassen, das Falsche wählen? Ich plädiere dafür, die Werbung der Diätratgeber aufs gesamte Leben auszuweiten. Einfach alles weglassen, was ZU viel ist, uns übersättigt, überflutet, überreizt und überfordert zurücklässt. Das wäre doch mal ein sinnvoller Vorsatz fürs neue Jahr: Sich in Reduzierkunst zu üben.
Was ist das Schöne an der Reduzierkunst?
Jeder Koch, jede Hausfrau weiß die Antwort:
Koche ich Flüssigkeiten ein, erhalte ich ein Konzentrat, das, trotz weniger Masse, viel intensiver schmeckt als 2 Liter Labbersoße. Das würde aufs Leben übertragen heißen: Reduzier‘ und ein intensives Leben gehört dir! Reduzieren würde dafür sorgen, dass wir intensiver leben. Reduzieren würde auch dafür sorgen, leichtfüßiger durchs Leben zu gehen, weil überflüssiger Ballast abgeworfen wurde. Seien wir ehrlich, selbst wenn wir das Über, das Zuviel wegschlagen, landen wir nicht im Mangel. Es ist immer noch genug da. Fülle statt Überfülle, Spannung statt Überspannung, Flut statt Überflutung. Frohe Weihnachten, statt perfekte Weihnacht.
Apropos Reduzierkunst. Ein ganzes Jahr lang hatte ich Gelegenheit mich vor Ihren Augen darin zu üben. Max 2.800 Zeichen standen pro Kolumne zur Verfügung. Das hieß, alle überflüssigen Füllwörter streichen, alle lange Gedankengänge reduzieren, einkochen, bis auf Essenz verdichten. Das hat mir viel Spaß gemacht. Dennoch heißt es mit dieser Ausgabe, Abschied nehmen. Neue Dinge warten.
Ein Jahr lang war ich Ihre Kolumnistin im Spenger Echo. Echo meint Nachhall, Nachklang, etwas verklingt nicht ohne Resonanz. Ich würde mich freuen, wenn dieser oder jener Artikel oder Gedanke bei Ihnen Anklang gefunden hat, etwas in Ihnen zum Klingen gebracht hat. Allen Leserinnen und Lesern lieben Dank: Für Ihre Lesetreue, Ihre Rückmeldungen, Ihren Zuspruch.
Ein kleines, feines Weihnachtsfest und ein intensives, spannendes, erfülltes 2016 wünscht Ihnen von Herzen
Ihre Maria Ast
Kolumne: zuerst erschienen unter Lebenskunst-Facetten im Stadtmagazin Spenger Echo, Ausgabe Nov. 2015 – KV-Verlag Claudia Vogt.