Sie kommen immer im Morgengrauen. Immer. Das kenne ich schon. Wenn die Menschen noch halb schlaftrunken in den Morgen stolpern, kommen sie.  Mit ihren Sägen.  Und immer mit einem Lastwagen mit großem Anhänger. Blitzblank soll die deutsche Erde hernach sofort wieder sein.

Und dann heute morgen sehr früh hörte ich sie. HÖRTE! Dieses Geräuch von Motorsägen, das sofort das Adrenalin in die Blutbahn pumpt. Weil ich es kenne. Weil ich weiß, was es bedeutet, weiß, wer kommt und was kommt. Die Baumfäller. Die mal eben in 10, 20, 30 Minuten Bäume, die mitunter Jahrhunderte gewachsen sind, absägen.

Ich höre sie…. Sie sägen und sägen und sägen. Noch immer. Den Ahornbaum, der jahrelang vor meinem Büroerkerfenster stand.  Das Fällen ging so schnell, dass es mir kaum gelungen war, in Schuhe und Mantel zu schlüfen und ihn noch mal vor dem Haus stehend und irgendwie auch die Straßenkreuzung prägend, zu fotografieren. So blattlos, so nackt, bevor er fällt.

Und nun zersägen sie ihn. Ich kann nicht hingucken. Ich kann nicht weghören. Ich stelle mir vor, mir würde jemand fein säuberlich mit einer Kreissäge Arme, Beine, Rumpf in fein handlich zu transportierende Stücke zerzägen…

Es ging ja nicht anders. Alles für Ihre Sicherheit, Frau Ast. Alles geprüft. Alle Möglichkeiten durchdacht. (Alle? Mir fiel schon aus dem Stand noch eine andere ein..)  Wir bedauern, Sie müssen verstehen: Es geht einfach nicht anders!

Und überhaupt:  Ist nicht alles Leben ein Werden und Vergehen? Und  nichts währet ewiglich. Könnte man einwenden.  Alles korrekt. Nicht zu widerlegen. Und dennoch, irgendwas in mir protestiert. Irgendetwas,  noch nicht in Worte Benennbares, schreit nach Gehört-werden-wollen.

In meinem Kopf dreht und dreht und dreht sich immer wieder die Schlusszeile aus einem Gedicht von Ernst Jandl


einen will ich, der für mich spricht!

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