Lebenskunst-Facetten Von Heimat und Ferne, Reisegedanken – Gedankenreisen

Sehnsucht wonach?

fernweh rowan / photocase.de

„Alle Reisen haben eine heimliche Bestimmung, die der Reisende nicht ahnt.“
Warum, weiß ich auch nicht, aber dieser Spruch des Religionsphilosophen Martin Buber taucht so zuverlässig wie der Kopf des Haubentauchers aus dem Wasser in meinem Kopf auf, sobald es um Urlaub, Reisen, Wegfahren geht.

Ich mag das Wort heimlich in dem Satz. Es hat etwas Geheimnisvolles für mich. Was mag da jenseits des Alltäglichen an Schönem, Anderem, Abenteuerlichem auf mich warten? Mit dem Wort Bestimmung tue ich mich hier schwer. Das klingt so festgetackert, so gewichtig, so ernst. Das passt nicht zu meiner Vorstellung von Urlaub. Der soll ja – umgekehrt – die Sehnsucht nach Freiheit, nach Leichtigkeit des Seins und spielerischem Unernst befriedigen.

Warum verreisen Sie? Welch heimliche oder unheimliche Sehnsucht ist da am Werk, die Sie just jenes Bergdorf, jenen Strandkorb oder Campingplatz buchen lässt?

Jeder Mensch hat seine ganz eigenen Motive = Beweggründe (von lat. movere: fort-bewegen, weiterziehen, vorrücken). Je intensiver, ziehender, drängender sie sind, umso motiv-ierter setzen sie uns in Bewegung.

Heimweh wonach?
Verreisen: Wenn wir uns fortbewegen, entfernen wir uns automatisch. Wovon? Auch von dem, was wir in der Regel Heimat nennen. Was ist das Heimat? Woran erkennen Sie Heimat? Vor Jahren stellte eine hiesige Tageszeitung just jene Frage. Von den vielen Antworten gefiel mir die eines älteren Lesers aus Enger am besten: „Heimat ist da, wo man nicht weg will!“ Ich wage zu ergänzen: Und wohl dem, der dorthin zurückkehren kann. Wem spontan keine Antwort einfällt: Noch immer noch gilt die Erkenntnis: Der wirkliche Wert einer ‚Sache‘ zeigt sich am deutlichsten in seiner Abwesenheit. Erst in der Ferne überkommt uns Heimweh, zeigt sich klarer, woran unser Herz eigentlich hängt. Was würden Sie vermissen, gäbe es dieses Zurück nicht?

Heimatort: Ohne Ort, keine Daheim, keine Heimat?
 Muss Heimat unbedingt ein Ort, eine Stadt, eine Land sein? Was ist mit all den Flüchtlingen dieser Welt? Heimatsuchend, heimatlos für immer? „Zur Heimat erkor ich mir die Liebe!“, dichtete die Jüdin Mascha Kaléko erschüttert und erschütternd, als sie aus ihrem geliebten Berlin fliehen musste und – keine Heimat, nirgends – in der Ferne keine neuen Ort fand, an dem sie sich heimisch fühlte.

Zur Heimat erkor ich mir in rauen Lebensstürmen das Wort: Bücher, Gedichte, Gespräche, die mir das Gefühl geben: Hier will ich nicht weg. Hier finde ich Schwestern/Brüder im Geiste. Hier werde ich verstanden. Hier lasst uns drei Hütten bauen. Aber auch umgekehrt: Hier lockt mich jemand mit Wortkunst in ferne, ungeahnt neue, spannende Gedankenwelten.

Innenreisen. Außenreisen. Die meisten Menschen nehmen Bücher mit in den Urlaub. Sie auch? Das ist das Schöne am Urlaub und Verreisen ist,,dass sich dort beides so wunderbar miteinander verknüpfen lässt.

Mögen Sie neu gestärkt an Leib und Seele und Begegnungen zurückkehren und wir uns hier, an diesem vertrauten, heimatlichen Ort wiederlesen, das wünscht Ihnen und mir

Ihre Maria Ast

Kolumne: zuerst erschienen als Lebenskunst-Facetten im Stadtmagazin Spenger Echo, Ausgabe 06/2015 – KV-Verlag Claudia Vogt.  Meinen nächsten Kolumnenbeitrag finden Sie im Lebenskunstblog  am 1. Juli 2015.