Sowohl in meinem Bekannten- wie KundenInnenkreis häufen sich in den letzten Monaten die Todesfälle. Jemand fragte mich, ob ich nicht ‚irgendwas‘ dazu schreiben könnte, ich sei doch ausgebildete Trauerbegleiterin. Das ist zwar schon eine Weile her, dass ich die Ausbildung gemacht  und Trauernde begleitet habe, geprägt hat mich diese Zeit sehr nachhaltig: sowohl als Mensch als auch als Coach.

Für mich gibt es seit der Zeit nicht nur ein CARPE DIEM = Pflücke = nutze den Tag als allein zu bedenkendes  und anzustrebendes Ziel. Es gehört für mich  ergänzt um das MEMENTO MORI = Bedenke, Mensch, dass du sterblich bist.

Den Tag nutzen – und zwar möglichst jeden und jeden total sinnvoll und effektiv und zielorientiert und erfolgreich, das wird uns jeden! Tag von Medien, Ratgebern, Coaches etc. ununterbrochen suggiert. Nutze den Tag und das Glück ist dein.  Das ist ja nicht verkehrt: sich Ziele zu setzen, einen Kurs zu besuchen, in dem Sie lernen, sich besser zu bewerben oder Ihr Produkt kundenfreundlicher anzubieten. Alles trägt ja dazu bei, auch sich selbst besser kennen zu lernen und so mehr Handlungsoptionen zu haben.

Nachdenken, sich weiterbilden ist also eigentlich immer gut. Die Eingrenzung durch das ‚eigentlich‘ setze ich, weil es sich meistens nur um die EINE Seite der Medaille handelt: Um die LEBEN-dige. Tritt plötzlich die andere Seite: der TOD/Trennung in den Lebensvordergrund, sind viele völlig ungebildet -und entsprechend unvorbereitet und hilflos.

Es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, in welchen Phasen Trauer verläuft. Bei Elisabeth Kübler-Ross sind es 5 Phasen, bei Verena Kast 4 Phasen und neuere Forschungen unterscheiden 7. Egal, wie sich die Anzahl der Phasen ändert, fest steht, DASS es Phasen gibt, die jeder mehr oder weniger heftig nacheinander oder durcheinander durchläuft. Vielen hilft dieses Wissen um Phasen, da sich sonst ALLES wie ein einziger schmerzhafter Trauerprozess ausnimmt, in dem sich GAR NICHTS verändert. WEISS ich um Veränderung, kann ich sie schneller erkennen.

Die häufigsten Wege, nach der Beerdigung mit der Trauer klar zu kommen:

Sich-ablenken: Die Einen wollen so schnell wie möglich zum Alltag übergehen. Das kann durchaus innvoll sein: Sich-ablenken ist EINE Möglichkeit, mit der Trauer klar zu kommen. Ich las letztens in der Zeitung, dass Helmut Schmidt auf die Frage: „Wie kommen Sie mit dem Tod Ihrer Frau klar?“ geantwortet hatte: „Ich gehe an meinen Schreibtisch. Der liebe Gott hat mich als Arbeitstier erschaffen.“ Wenn es ihm bei Weiterleben hilft, dann ist das gut und richtig.

Verdrängen: HÄufig gibt es die Verdränger: Ich tauche mal wieder schnell in den Alltag ein und tu mal so, als ob nichts geschehen sei. So muss mann/frau sich nicht mit diesem neuen seltsamen Gefühl auseinandersetzen, das einem irgendwie Unbehangen bereitet. Früher habe ich mich aufgeregt über ’solche‘ Leute und meinte, sie auf ihr Verdrängen hinweisen zu müssen.  Heute gehe ich anders mit ihnen um: verständnisvoller. Sie haben ihre guten – meist allerdings völlig unbewussten – Gründe, warum sie verdrängen. Miestens ist es ANGST, und Angst basiert häufig auf UNWISSENHEIT.  Hier würde helfen, sich z.B. mehr Informationen zu beschaffen. In kleinen Dosen, um die Angst nicht zu groß werden zu lassen, sich dem Thema Tod und Trauer zu nähern. Denn: Verdrängtes hat die Eigenschaft, sich im unpassendsten Moment Gehör zu verschaffen. HÄufig zu beobachten im Kino: da wird ersatz-geweint. Da ist ‚es‘ weiter von uns entfernt.

Gar nichts TUN: Andere sind völlig erschöpft vom Sich-sorgen und Kümmern um die- oder denjenigen, der jetzt tot ist. Besonders jene, die doch sonst alles so tatkräftig anpacken, sind verwundert, dass sie sich zu nichts aufraffen können und am liebsten tagelang nur im Bett liegen bleiben würden, weil Körper und Seele sich bleischwer anfühlen. KÜrzlich sagte mir jemand, deren Vater gerade beerdigt wurde: “ Ich habe momentan auch gar keine Ziele mehr. Ich, die ich doch immer sonst wuselig unterwegs bin und immer ganz genau wissen muss, wo’s denn hingehen soll im Leben. Ich verstehe mich selbst nicht mehr.“

Akzeptieren: Es gibt ziel-lose Zeiten, Zeiten, in denen der Kopf in Ruhe alles noch 1000 x oder 100.000x durchkauen, durcherinnern, sich vor Augen führen MUSS, um wieder zur Ruhe zu kommen. Ich versuch’s mal, an einer kleinen Geschichte deutlich zu machen:

Stellen Sie sich vor, dass Leben ist ein langer Fluss. Mal lässt Regen den Fluss anschwellen, mal trocknet Sommerhitze den Fluss aus, mal gibt es Stromschnellen, mal ruhigere Gewässer. Tod und Trennung gehören sicher zu den Sturm- und Donner- und Blitzzeiten: Da wird der Untergrund (unserer Seele, unserer Welt- und Eigenwahrnehmung) dermaßen durcheinander gewirbelt, dass es seine Zeit braucht, bis der Fluss wieder gemächlich dahinfließt und sich der ganze aufgewirbelte Sand wieder anders und neu ins Flussbett gesetzt hat.  Hierzu fällt mir gerade ein englischer Spruch ein: You can’t push a river. Was nichts anders meint, als: Trauer und Trauern braucht seine Zeit. Je weniger Sie versuchen, den Fluss anzuschieben, umso schneller wird der Fluss wieder dahin fließen.

Rückzug und Auseinandersetzung: Wieder andere setzen sich intensiv mit dem Thema, das sie bisher so erfolgreich vermieden haben, auseinander: dem Abschiednehmen, dem Tod, dem Trauern. Sie nehmen sich Zeit, die Kehrseite des CARPE DIEM kennen zu lernen und sich bewusst zu machen, dass MEMTNTO MORI ebenso zum Leben gehört.

Und andere, die überhaupt nicht mit der Trauer klar kommen, die haben heute Gott sei Dank  die Chance, sich an TrauerbegleiterInnen oder öffentliche Einrichtungen zu wenden, die Hilfe und Begleitung anbieten.  Allen, die den Eindruck haben, in ihrer Trauer zu ertrinken oder dem lieben Angehörigen hinterfolgen zu wollen, allen, die selbst glauben oder von besorgten Mitmenschen gesagt bekommen: Du trauerst schon viel zu lang, (was ja indirekt heißt: du trauerst ‚falsch‘!) denen möchte ich an dieser Stelle Mut machen: suchen Sie sich professionelle, kundige Unterstützung. Dort werden Sie erfahren, dass es kein ‚falsches‘ Trauern gibt. Jede und jeder trauert auf seine und ihre persönliche und unterschiedliche Art und Weise. Es gibt kein ‚perfektes‘ Trauern, aber es gibt Hilfen und Strategien, wie Sie besser mit der Trauer umgehen lernen.  Für mich war WISSEN, Sachinformationen wichtig. Sie halfen mir dabei, mit meinen Gefühlen besser klar zu kommen.

Zusammenfassung:

  • Es gibt nicht DIE Art zu trauern. Es gibt individuelle Arten; keine ist schlechter oder besser.
  • Es gibt nicht DIE Trauerzeit. Es gibt individuelle Zeiräume, keine ist schlechter oder besser.
  • Hilfreich ist: Gönnen Sie sich Ruhe, damit der aufgewühlte Bodensatz des Lebensflusses sich wieder setzen kann.
  • Und: Wenn Sie meinen, Sie kommen mit Ihre Trauer nicht allein zu recht: Holen Sie sich Hilfe von kompetenten Sellen. Nicht immer sind da Freunde, Mitmenschen, die von ’sowas‘ auch keine Ahnung haben, hilfreich: sie sind genauso häufig vollig hilflos, wie sie mit einem Trauernden/einer Trauerenden  umgehen sollen.

Einige Basisempfehlungen zum Umgang mit Trauernden möchte ich hier noch nennen:

  • Geben Sie dem Trauernden nicht das Gefühl, falsch zu trauern! Bedenken Sie: Häufig projizieren Sie nur Ihre eigenen Ängste und Unbehagen auf den Trauernden.
  • Hören Sie zu. Trauernde möchten erzählen und erzählen und nochmal erzählen und erinnern.
  • Kochen Sie ein Hühnersüppchen – und stellen es ggf. auch einfach nur vor die Tür.
  • Geben Sie das Gefühl, da zu sein.  Drängen Sie sich nicht auf. Fragen Sie: Möchtest du, dass ich komme oder möchtest du lieber alleine sein?
  • Und halten Sie keine noch so gut gemeinten Ratschläge parat, Sie können nicht automatisch wissen, was dem/der anderen gut tut.

Eine Aha-Eerkenntnis zum Thema: Ich weiß, was für DICH gut ist, hatte ich in der Trauerbegleitausbildung und die findet ihren Ausdruck in folgender Metapher:

„Ich werde dich vor dem Ertrinken retten, sagte der Vogel – und hob den Fisch sanft in den Baum.“

Buchtipp, den ich immer noch bedenkenlos weiter empfehlen kann: Verena Kast, TRAUERN. NIcht nur für Trauernde, sondern für jedermann und jederfrau, weil sie eine Haltung empfiehlt, die mir einleuchtet: Abschiedlich zu leben  – nicht erst, wenn der Tod vor der Tür steht.

Unperfektes

So, nun ist es doch ein ganz langer Artikel zum Thema Trauer(n) geworden. Ein unperfekter. Und so, wie er jetzt da steht,  werde ich ihn  hier in den Blog stellen. Eigentlich müsstest du das hier alles strukturierter, differenzierter und mit mindestens 5 Links versehen…. raunt eine Innenstimme in mir. Die andere sagt: Maria, carpe diem, nutze diesen Tag, diese Stunde und gibt dem Unperfekten eine Chance und einen Raum. Manchmal hilft auch Unperfektes anderen Menschen weiter.

Und eigentlich, ganz eigentlich, wollte ich einer trauernden Freundin auch ’nur‘ das Gedicht von Rolf Bossert in den Lebenskunstblog stellen. Ich mag es so sehr,  weil es ziel- und heimatlose Zeiten auf eine sehr anrührende und dennoch trostvolle Weise beschreibt.  Hier ist es:

Lied

Wohin mich mein Weg heute führt:
Ich weiß es am Morgen noch nicht.
Am Abend dann, peinlich berührt:
Auf der Milchstraße wieder kein Licht!

Verbotsschilder sprechen für sich.
Und dennoch: Ich pfeif aufs Verbot!
Im Sternenwald füttere ich
Den Großen Bären mit Brot.

So treib ichs seit einiger Zeit.
Dem Herrgott begegne ich kaum,
Ein paarmal nur seh ich ihn weit
Verloren im kurmmen Raum.

Langsam kommt dann die Müdigkeit auf:
Ich habe das Trampen verlernt.
Ich schlage mein Himmelszelt auf,
Einen Steinwurf vom Weltall entfernt.

Aus: Rolf Bossert, Ich steh auf den Treppen des Winds, Gesammelte Gedichte, Schöffling & Co,  2006

Allen Sich-heimatlos-Fühlenden wünsche ich einen Ort, an dem sie sich sicher fühlen. Es gibt ihn.  Ich habe mal lange, lange nach diesem Heimat-Ort gesucht… Für mich sind es Worte.  Geben Sie nicht auf. Sie werden ihn finden – oder er Sie.

In herzlicher Verbundenheit.

Maria Ast

Kontakt

Telefon: 05 21 – 78 40 37 9
E-Mail: coaching (@) maria-ast.de

Adresse

Maria Anna Ast
Rosenheide 21
33611 Bielefeld

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