Heute morgen las und las und las ich einen interessanten Artikel in der FAZ von Sascha Lobo, Titel: Abschied von der Utopie: Die digitale Kränkung des Menschen. Danach fühlte ich mich auf seltsame Art alt, älter, steinalt..
Ich hinke hinter der Web-Technik hinerher.
Mein Opa, geb. 1800 und…, immerhin 95 Jahre alt geworden, schüttelte im fortgeschritten Alter und ob der forsch voranschreitenden Technikerrungenschaften immer häufiger den Kopf: „Neenee, doa kuome ick nich mehr mit!“ (Da komme ich nicht mehr mit.). Nie hätte ich geglaubt, dass es mir schon mit knappen 60 ähnlich gehen könnte, schätze ich doch durchaus die Vorteile technischer Errungenschaften: Ich bin megafroh, nicht mehr wie meine Großeltern die Wäsche mit der Hand waschen zu müssen und auch meine neue Spülmaschine liebe ich sehr.
Ich schüttle mittlerweile mein Haupt, wenn es umd Web und Social-media geht. Ich hinke nicht nur permanent mit meinem technischen Knowhow hinterher,
z.B. was eine „elegante und effiziente“ Handhabung bei Xing oder Twitter angeht, nein, ich brauche schon für die Entscheidung, ob ich sie nutzen will, viel zu lange. Hab ich mich dann entschieden – für Plattform oder Tool – hab ich da eins endlich prima kapiert, ist selbiges Tool oder Tor längst wieder out. Von Sicherheitsaspekten mal völlig und komplett abgesehen. Da schüttelt immerhin Sascha Lob sein Haupt ob seiner eigenen Naivität. Interessanter noch als seinen Artikel, fand ich die Kommentare. Das am Rande.
Ich hinke hinter der Web-Geschwindigkeit hinterher
„Schnell weg da weg da weg, wir haben keine Zeit… Wir müssen rennen, springen, fliegen, tauchen, hinfallen und gleich wieder aufstehn, wir dürfen keine Zeit verlieren, können hier nicht stehn, wir müssen gehn…“ – Atemlos sang das schon vor Zeiten Hermann van Veen.
Die Geschwindigkeit, die da im Web-Äther herrscht, sie ist an Atemlosigkeit kaum noch zu überbieten. Die damit einhergehende Präsenz“pflicht“ ebenso, will man/frau auf dem Laufenden sein, schnell und sofort anworten und re-agieren zu können. Schon die Vorstellung macht mich energetisch alle: Mir bleibt die Puste weg. Sie überfordert mich. „Da komme ich nicht mehr mit!“ Energetisch wie mental wie vom Verstehen her nicht.
Alles eine Frage des Alters – oder des Wollens?
Ist das vorrangig eine Frage meines Alters?, frage ich mich. Alles eine Frage des reinen – meines reinen – Wollens? Wolle nur genug, und dann wirst du das auch in deinem Alter schon noch kapieren/verstehen/mithalten!?
Ich glaube, so einfach funktionieren wir nicht. Spiegelt sich darin nicht die Angst vieler – und ich nur der Menschen jenseits von 50plus: Nicht mehr mithalten zu können? Nicht mit der Geschwindigkeit. Nicht mit dem Verstehen von was auch immer, da die Zusammenhänge immer verworrener, komplexer und versteckter werden. Die Folge? Gesichtsverlust droht. Wir müssten bekennen, dass wir nicht immer und überall TOP of technic, information and knowhow sind.
(Überleben) Lernen im (Web)Alter
Schnell lernen, so habe ich’s grad von den Neurobiologen gelernt, ist mit 16 Jahren so ziemlich vorbei. Danach ist die Platte erst mal voll. Was dann passiert, geht nur noch über Verdichtung durch Verknüpfung. Und das war die freudige Botschaft für die Älteren im Saal: Junge Menschen lernen schneller, ja. Wir Älteren KÖNNEN gar nicht mehr so schnell lernen, da wir Neues mit Altem verknüpfen müssen. Integration dauert eben länger, als mal eben neu irgendwo was hinzuspeichern.
Tja, Opa, was du wohl gesagt hättest, würdest du die Welt – und die world-wede-web-Welt – noch erlebt haben? Du hättest sicher immer häufiger mit dem Kopf geschüttelt, hättest an deinem Kautabak gekaut – und wärst ins Feld gegangen, schaun, wie das Korn wächst, reift, fällt, wächst, reift, fällt…
Fürwahr andere Zeiten. Muss ich mit allem „mitkommen“, um mich nicht alt bis steinalt zu fühlen? Immer häufiger lautet meine Antwort: NEIN!
Wie lautet Ihre?
Liebe Maria,
das Gefühl kenne ich auch und meine Antwort ist ebenfalls NEIN – ich muss nicht mit allem mitkommen geschweige denn hinterherkommen….
Ein Tipp dazu, heute Abend läuft auf ARTE der Film „Speed“ – da geht es auch um eine andere (deine) Haltung zur Geschwindigkeit der Zeit. Ich galub darum geht es, den eigenen Rhythmus leben in allem – dann können wir auch entsprechend altern; leben eben.
Herzliche Grüße und lass langsam gehen, „entspann Dich“ – ist mein Motto für 2014
Anna
Den EIGENEN Rhythmus leben, das ist mit Sicherheit gesundheitsförderlich für Leib und Seele. Stelle allerdings immer wieder fest, das viele meiner Coaching-KundenInnen, den dringenden Wunsch danach auch haben, ABER eigentlich erst mal rausfinden müssen: Was IST denn eigentlich MEIN Rhythmus, meine Geschwindigkeit oder Nicht-Geschwindigkeit, die mir gut tut?
Ist Zügig-aufbrechen zum Sprot dran? Oder täte meinem eh schon angeschlagenen Energiehaushalt – trotz Dauerbeschuss der Fitnessexperten – ein Abend auf dem Sofa nicht viel besser? Da ein gutes Gefühl für die eigene Bedürfnislage zu entwickeln, dauert manchmal etwas. Aber, es lohnt sich. Immer!
Danke für Deinen Hinweis zum „Speed“-Film! Hoffe, viele „Speedies“ 😉 lesen Deinen Tipp hier und sehen sich den Film an. Ich werd’s jedenfalls tun.
Wie und wo auch immer: ENTSPANN Dich schön. Bzw. Entspann Dich SCHÖN!
Merci für Deinen Kommentar!
Hallo Anna,
der SPEED-Film war sehr interessant und kurzweilig gemacht. Als Coach denkt man/frau natürlich lösungsorientierter und da fand ich den Schluss dann doch etwas mager. Zumindest hatte er ja schon mal rausgefunden, was für IHN NICHT hilfreich war, sein Leben zu verlangsamen.
Die Krux IST eben, dass JEDERMANN und JEDEFRAU das für SICH herausfinden muss. Bewusstheit ist immer noch der allererste Schritt, um aus Mustern auszusteigen. Und dazu hat der Film sicher beigetragen.
Verweise in diesem Zusammenhang noch mal auf mein Lieblingsbuch zu „Umgang mit Zeit“ und das lautet: „muße“ von Ulrich Schnabel . Kostet 14,99 Euro – und dieser Tipp ersparte schon manchem meiner KundenInnen ein viele 1000-Euro-teueres Zeitmanagement-Seminar.
Warum? Weil es einem grundsätzliche Zusammenhänge deutlich macht, AHA-Erkenntnisse beschert, die einen ZEIT nie wieder so sehen lässt, wie zuvor. So, Ende des Werbeblocks :-).
Danke nochmal für Deinen Hinweis auf die Sendung.
Liebe Maria,
ja ich teile Deine Einschätzung, hier und da konnte der Film etwas mehr Speed im Sinne von Tiefe oder Dichte vertragen.
Sicherlich muss jeder es für sich heraus finden. Mit der Bewusstheit dann auch zum BewusstSein gelangen.
Ich teile den Ansatz, der im Film zum Schluss benannt wurde. Der Wettbewerb ist mit eine Hauptursache für die ungesunde Dynamik, und für eine Verselbständigung der Prozesse, die uns nicht gut tut. Daher die Idee des Grundeinkommens. Dies bringt Ruhe ins System. Jeder, der dann mehr braucht, kann es mit einem gesünderen Wettbewerb für sich erfüllen.
Der Wettbewerb als Allheilmittel kultiviert die Vereinzelung, dabei übersehen wir das Prinzip der Natur, das auf Vernetzung und Kooperation aufgebaut ist. Nur so kann alles gelingen.Ich glaub wir Menschen tun gut daran, uns wieder zu erinnern, uns rück zu binden.
Danke für die Buchtipps!!
Schönes Wochenende mit viel Muße wünscht Dir
Anna