„Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn, ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn. “ – R.M. Rilke
Gestern las ich im Persönlichkeitsblog meines Kollegen Roland Kopp-Wichmann, er würde eine längere Blogpause einlegen und dann listete er die Gründe dafür auf.
„Willkommen im Club!“, möchte ich ihm fast zurufen, entbehrte der Ruf nicht jeglichen Witzes und hätte er nicht einen bitter-ironischen Beigeschmack.
Denn die Gründe, die er auflistet, sind vielen selbständigen Dienstleistern, zumindest denen, die die 50 überschritten haben, nur allzugut bekannt: Die Energien sind nicht mehr schier unerschöpflich; Dauerpräsenz schlaucht mehr als früher; ohne Präsenz aber keine Einnahmen. Und der Blick auf den Rentenbescheid löst bei manch einem mittelschwere Panik aus.
Ich bin nun 10 Jahre als Persönlichkeitscoach tätig – und werde bald 60. Mit 50, da bin ich noch mal „voll durchgestartet“, will meinen: mit reichlich Energien, Begeisterung, Motivation gesegnet, endlich, endlich, meinen beruflichen Platz im Leben gefunden zu haben. Tagesworkshops, Erfolgsteams, Vorträge, Einzelcoachings natürlich, das war alles kein Problem. Bis ich 55 wurde.
Da lag ich halbdepressiv im Bett und starrte an die Decke: Weil ich mich verglich; weil ich schon damals energetisch nicht mehr mithielt; weil mich die Angst schüttelte: was mache ich, wovon lebe ich, wenn ich – krankheits- oder familiär- oder energiemäßig bedingt – nicht mehr mit Dauerpräsenz aufwarten kann? Abgesehen von tiefen Selbstzweifeln, die mich beutelten: Wie will ich überhaupt noch Menschen ermutigen, ihr Ding zu machen, erfolgreich, glücklich, zufrieden zu werden, Existenzängste zu überwinden!!!, wenn ich selbst halbpanisch vor Existenzängsten an die Decke starre?
Existenzängste sind starke Ängste
Machen wir uns nichts vor, Existenzängste SIND starke Ängste. Viele meiner selbständigen KundenInnen haben sie, und verdrängen sie, so gut es geht -oder solange der Körper mitmacht. Ich habe Menschen zusammenbrechen sehen, die fassungslos ausriefen: „Aber ich habe doch alles richtig gemacht!“ Ja, hatten sie. Aber alle „Erfolgsregeln“ beachten, garantiert noch keinen Erfolg. Das ist Desillusionierungsarbeit, die dann zu leisten ist: Es liegt eben nicht ALLES in unserer Macht.
Mich hat das, was ich „Philosphischer Sprung „nenne, gerettet. Dass vieles in meiner Macht steht, es aber keine absoluten Sicherheit gibt, für nichts und niemanden. Weder für den Erfolg oder Misserfolg, weder fürs Glück noch fürs Unglück. Die Kunste, die Lebenskunst, die Überlebenskunst besteht darin, sich auch im Scheitern noch seine Würde zu bewahren, den Selbstwert nicht vom Erfolg, der Zielerreichung allein abhängig zu machen, mir – vorsorglich – eine Haltung zuzulegen, die mich auch dann noch trägt und hält, wenn die Stürme mein Schiff verwüsten.
Das ist alles gut und schön, höre ich eine Kundin sagen, ich muss aber von was leben!
Ja, ich auch. Und, auch ich möchte eigentlich gut leben. Wie das konkret aussieht? Darauf habe ich keine absolut sichere Antwort. Das ist Arbeit, die jede und jeder für sich zu machen hat. Mit oder ohne Coach. Denn es hängt von vielen vielen Faktoren ab: Alter, Energiehaushalt, Sicherheitsbedürfnis, Anspruchshaltung, sonstigen Rahmenbedingungen, eine individuelle Lösung zu finden, mit der mensch leben kann.
Wie kann ich mit weniger Präsenz und Energieeinsatz dafür sorgen, dass ich mein Einkommen und Auskommen habe?
Es hieß und heißt auch für mich: Energien bündeln, Kräfte gezielter einsetzen, mich auf Kernanliegen zu fokussieren. Meine Überlegungen gehen ebenfalls in Richtung Onlinekurse. Aber, auch die wollen vorbereitet sein, brauchen und bündeln erst mal Energie, bevor sie (Geld)Energie liefern.
Und mein Buch zu Ende schreiben und endlich einigen Verlagen einreichen, das will ich auch noch. Sicher nicht der Geldbringer besthin. Mich würde es aber innerlich mit großer Zufriedenheit erfüllen, wenn ich dieses Werk in gebundender Form meinen KundenInnen – und vor allen meinen Söhnen – als Lebenshilfe in die Hand drücken könnte. Merke, der Mensch lebt nicht nur vom Brot allein. Und eine Rose ist eine Rose ist eine Rose.