Als ich das Buch „Ab jetzt ist Ruhe: Geschichte meiner fabelhaften Familie von Marion Brasch aus der Hand legte, war ich ziemlich fassungslos. Das bin ich selten von einem Buch: angetan, angewidert, begeistert, irritiert, gefesselt: JA! Aber fassungslos? Das doch eher selten. Ein Buch jedenfalls, das ich so schnell nicht vergessen werde.

Dabei fing alles harmlos an. Ich hatte mir das Buch – ohne Schutzumschlag und ohne recht auf den Autoren zu achten – so nebenbei von einem Freund ausgeliehen. Die ersten Seiten lasen sich flüssig, beschrieben eine Kindheit, Jugend, Leben in der DDR. Fast erkannte ich mich wieder, wie ich ziemlich unbeschwert von allen politschen Unbillen auf dem Land aufwuchs. Ich weiß nicht mehr, wann genau es KLACK machte, bis mir klar wurde, dass die Autorin die Schwester von Thomas Brasch ist, dessen Gedicht: Bleiben will ich, wo ich nie gewesen bin, ich zig mal zitiert habe. Und, dass weniger ein Roman ist, sondern eher eine Art Aufarbeitung der eigenen Familien- und Lebensgeschichte und die ihrer Bründer, die alle sehr jung gestorben sind. Alle Brüder waren Künstler und haben auf ihre ART und Weise ihr Leben in der DDR und den Vater, der ein hohes Tier dort war, verarbeitet. Sie nun in diesem Buch.

Was mich geschockt hat, ist der lakonische Ton, der sich durch das Buch von Marion Brasch zieht, völlig egal, wie berührende oder bedrohend die Situationen und Herausforderungen des Lebens geht waren. Egal, ob es um Verrat, Tod, Leid, Konfrontation mit lebensverändernden Entscheidungen ging/geht. Es ist dieser Grad der Unreflektiertheit und Unbe- oder Ungerührtheit – der sich m.E. in allen von mir gesehenen/gelesenen/gehörten Interwies an den Tag legt – die mich fassungslos macht. JA, natürlich kann mensch SO mit dem Leben und Sterben umgehen. Indem er oder sie alles Elend verdrängt und in fast kindlicher Naivität sich doch der Vorteil bedient, die ihr das Leben in der DDR erleichtern. Geschockt hat mich, mit welch dauerpragmatischer Haltung und mit einem kurzen Schulternzucken zum Alltag zurückkehrt, egal, ob es um Tod, Trauern, Sterben geht.

Ich glaube, dass SIE nichts aus der Fassung bringt, ist genau das, was MICH aus der Fassung bringt!

Gesamturteil: Lesenswert. Unbedingt. Das Buch ist inzwischen auf der Bestsellerliste angekommen. Auch wer sich bisher – wie ich – aus irgendwelchen Gründen wenig für den Alltag in der DDR interessiert hat, hält eine interessante Lektüre in Händen, die sich flüssig lesen lässt und sicher Stoff zum Nach-Denken und diskutieren bietet. Erschienen ist das Buch im S. Fischer-Verlag. Es kostet gebunden 19.99 Euro.