„Der Tod ist groß. Wir sind die Seinen lachenden Munds. Wenn wir uns mittem im Leben meinen, wagt er zu weinen mitten ins uns.“ – Rainer Maria Rilke
„Nun instrumentalisieren Sie man nicht gleich alles! Lassen Sie sich doch erst mal selbst drauf ein!“ Ich weiß noch, wie ich leicht angesäuert dachte, na, das kann ja heiter werden mit dem. Dem, das war Dr. Michael Conradt, und das, das waren gut 2 1/2 Jahre, in denen er mir die Klassiker der Philosophie, die Großen Philosophinen und Grundlegendes zu den Grundfragen des Menschseins näher gebracht hat. Dass er erkrankt war, wusste ich. Gestern las ich auf seiner Homepage Zentrum Philosophie, dass er Mitte Mai mit 66 Jahren verstorben ist.
Ich fand ihn bzw. seine Angebote im Web, als ich mich gerade mühselig mit Hilfe der Lebenskunst-Bücher eines anderen Philosophen; Wilhelm Schmid, aus einer tiefen Coach-Identitätskrise herausgearbeitet hatte – und auf der Suche nach Ersatz für den lieben Gott war, den ich ‚unterwegs‘ irgendwie verloren hatte.
Er war spätberufener Philosoph. Ich war spätberufener Coach. Das verband uns vom ersten Moment an: Die Erfahrung, dass Lebenskrisen das Leben radikal verändern können; die Suche nach tragenden Konzepten, die einen in der Tiefe und im Leben weitertragen. Ich habe ihn als sehr besonnenen Menschen kennengelernt, der jeden ermutigte, jede, wirklich jede noch so ‚dumme‘ Frage zu stellen, die er stets knapp, präzise, geduldig beantwortete, als sei sie die allerwichtigste auf der Welt.
Das war ihm wichtig: Er vermittelte Wissen; er wollte niemanden bekehren, belehren, überzeugen. Seine Kunst und sein Verdienst bestand darin, Wissen so aufzubereiten, dass jedermann und jede Frau die Chance hatte, die Grundlagen der Philosophie und des Philosophierens und die Kerngedanken der Philosophen zu verstehen. Erst viel später kapierte ich, was er, der aus dem Marketing kam, mir mit dem o.g. Satz hatte sagen wollen: Wissen erst mal in mich einsacken zu lassen, es zu ‚verdauen‘, es zu Meinem machen, in mein Denken, Fühlen, Handeln integrieren, sonst bleibt es bloße ‚Nutzen-Ware‘.
Auf meine Frage, ob er persönlich noch an einen personalen Gott glaube, antwortete er, ernsthaft und selbstironisch wie immer: Wahrscheinlich sei er im landläufigen Sinne schizophren: Morgens würde er, ganz Skeptiker, an den Philosophengott glauben; abends würde er kindlich-naiv-vertrauensvoll zum lieben Gott beten. So habe ich ihn kennengelernt: ernsthaft, bescheiden, besonnen, freundlich, geduldig, respektvoll, verbindlich in seiner ganzen Art.
Ich habe viel von ihm gelernt. Über die Philosophen, übers Denken, von seiner ganzen Art, wie er mit Menschen und Fragen und mit Menschen mit Fragen umging.
Du warst mir ein guter Lehrer, lieber Dr. Conradt. DANKE.