„Der Kluge mischt eins mit dem andern: Er hofft nicht ohne Zweifel und zweifelt nicht ohne Hoffnung.“ – Seneca

Wie stolz war ich als kleines katholisches Landmädel, wenn ich mir die ohnehin spärlich geschenkten Süßigkeiten in der Fastenzeit versagt hatte. Wie gerne hatte ich selbst die Gründonnerstags- und Karfreitags-Liturgien, die ewig und drei Stunden dauerten. Ich liebte diese düstere Untergangsstimmung, liebte, dass die große Orgel schwieg, alles Prachtvolle und Kreuze verhangen waren. Umso heller und freudiger erschien mir die der Ostermorgen und die Osterbotschaft: Christ ist erstanden, von der Marter alle. ER  hat den Tod überwunden. Und uns somit das ewige Lebens- und Lebendigkeitsparadies erschlossen. Kann ein Kind/Mensch sich noch froher, behüteter, sicherer fühlen?

Was waren das noch für herrlich, fast möchte ich sagen kindlich unbeschwerte Zeiten, als ich an den Lieben Gott glaubte. Oder besser gesagt: An einen Gott(vater), zu dem ich beten, dem ich klagen, jammern, danken! konnte, zu dem ich eine persönliche Beziehung hatte. Damals ergab Ostern feiern noch Sinn, hatte Ostern doch eine tiefe Bedeutung für mich. Es hing mit dem Auferstehungsglauben zusammen. Ich glaubte daran, weil alle, die ich kannte, das taten.

Allein, welch aufgeklärter Mensch glaubt das heute noch? Dass die Geschehnisse 1:1 so stattgefunden haben? Wer glaubt noch an das 1:1, mit Leib- und Seele-Wiedersehen „im Himmel“? Wer es tut oder noch tun kann, den beneide ich auf seltsam melancholische Art. Den fürchte ich aber auch aus just jenem Grund.

Was ist das Schöne am Glauben?

Wer glaubt, wird geführt, muss nicht selbst nach der Richtung suchen, die richtig oder falsch ist. Wer sich von einer höheren Macht behütet weiß, der kann tatsächlich „nicht tiefer fallen als in Gottes hohle Hand“. Wer an das Weiterleben nach dem Tod glaubt, der braucht den Tod weniger zu fürchten. Wer einer Gemeinschaft (von Gläubigen oder eben auch Irr-Gläubigen) angehört, der fühlt sich nicht allein, sondern verbunden.

Und die Nicht-Gläubigen? Alle, die NICHT mehr an einen Gott/Allah/Mohammed glauben, müssen bzw. müssten! sich damit abmühen, selbst Antworten auf die existenziellen Fragen nach Sinn und Woher und Warum und Wohin zu finden, müssen sich mühen, sich selbst Gesetz zu sein und Gesetze zu geben, nach denen sie handeln. Das meint Autonomie im Wortsinn: Unabhängigkeit, nach eigenem Gesetz lebend.

Was machte der Verlust an Glauben mit mir?

Mir ist dieser katholisch-christliche Gottesglaube irgendwie, irgendwann abhanden gekommen. Ein herber Verlust, wie herb und existenziell, das habe ich, wie es so häufig im Leben ist, erst im Nachhinein begriffen. Wem konnte ich noch ALLES jammern, klagen? An wen sollte ich meinen tiefen Dank für das Schöne in meinem Leben richten? Wem traute ich mich noch mit allen meinen Schwächen und Zweifeln anzuvertrauen, und das im vollsten Vertrauen, ER wird mich verstehen?!

In diesem Vakuum, dieser Leere, dieses Alleinmitmirseins traf mich die Philosophie! Ha, frohlockte es in mir: Ersatz, Rettung, Heilung naht! Ich brauchte 3 Semester „Klassiker der Philosophie“ bis ich begriff, Philosophie ist KEIN Ersatz für Glauben. Sie, die Liebe zur Weisheit, kann mir dabei helfen, autonomer zu werden, meine eigenen Gesetze – auch jenseits von Religion – zu entwicklen, zu verwerfen, neu zu definieren. Autonomie zu erlangen ist harte Arbeit, ist und bleibt ein ewiges Neu-Ringen um „das Richtige“. Sie bedeutet, bereit zu sein, sich und seine Sichtweisen und scheinbar unverrückbaren Wahrheiten immer wieder in Frage zu stellen oder stellen zu lassen.

Womit wir bei meiner Furcht wären vor denn allzu Gläubigen und für ‚die Wahrheit‘ Brennenden:  Sie stellen sich, ihre Systeme nicht mehr in Frage, sondern setzen ihre Sichtweisen für absolut und ewig wahr, scheuen jede Form von Einsicht – und damit Veränderung. 

Autonomie: Auferstehung der anstrengenderen Art

Nun also wieder Ostern, das Fest der Auferstehung. Mit leichter Wehmut schaue ich auf meine Kinderzeit und meine Gottesglaubenzeit zurück. Ich glaube heute anders und anderes: Dass nichts verloren geht in dieser Welt. Das Energieerhaltungsgesetz besagt es. Daran zu glauben, tröstet mich, voll ersetzen kann er mein kindliches Gott-Vertrauen nicht. Es ist eine andere Art von Auferstehungsglauben. Dieser mein Glaube ist indiviueller – und ersetzt mir die starke und stärkende Erfahrung von Gemeinschaft nicht. Damit versuche ich – wie viele andere – so gut zu leben, wie es mir möglich ist. Wohl dem, der Freunde, Partner, Menschen hat, die ihn oder sie durchs Lebens-und Glaubens-Auf-und-Ab begleiten.

Helle Ostertage – innen wie außen

wünscht Ihnen von Herzen
Ihre Maria Ast