Es werden immer weniger Menschen, die Weihnachten mit der christlichen Botschaft verbinden – und dennoch, so mein Eindruck, ist es für viele eine besondere Zeit. Ich höre hinter vielen und vielem Klagen über den ganzen Weihnachtsstress eine Sehnsucht:

nach Innehalten; nach Ausruhen dürfen; nach Sich-besinnen auf das, was wesentlich ist; nach Frieden: in der Welt und Frieden mit sich selbst.

Vor Jahren fiel mir ein Lesebuch in die Hand mit dem Titel KREUZUNG/KAVSAK, dessen Anliegen es war, Deutsche und Fremde einander näher zu bringen, Vorurteile abzubauen, Denkanstöße zu geben für ein Leben in Solidarität und Toleranz. Die Texte und Gedichte sind sowohl in Deutsch als auch in Türkisch abgedruckt.

Eins daraus möchte ich Ihnen als Weihnachtsgruß schicken.
Ich lade Sie ein: Nehmen Sie sich 60 Sekunden Zeit. Länger braucht es nicht, es zu lesen. Lassen Sie sich ein: auf vielleicht Ungewohntes, Fremdes oder gar Befremdliches, üben Sie, tolerant damit umzugehen – oder lassen Sie sich einfach berühren von den Worten.

DAS BLAU DER LIEBE

Im Tropfen sah ich das Meer
Im Meer die Unendlichkeit
Sterne fielen auf mich herab
Die Hände wurden klein
Die Augen schwächer
Straßen verliefen ins Dunkel der Sternenbahnen
Ihre Spur verlor sich

In sternenhellen Nächten wächst mein Universum
Nicht zu zählen sind die Sonnen im Dunkel der Nacht
Die Erde wird winzig klein, Grenzen ein Nichts
Mein Herz fügt sich nicht in solche gedachte Größen

Den Kopf gegen die Sterne gelegt
Versank ich in unbekannten Tiefen
Wie Sterne umfaßte ich sie
Manche waren nur Licht
Wie Dunkelheit hielt ich sie fest
Und Sterne erschienen vor mir

Ich erreichte die Bahnen der Planeten und Gestirne
Überall, wo ich hingelangte
war der Beginn der Unendlichkeit
Übersät von Sternen war ich
Von innen und außen

Das Universum ist für sich
Ineinander, Endlich und Unendlich
Es gibt nicht Schöpfer, nicht Geschaffenes
Es ist unaufhörlich sich erneuerndes Werden

Die Erde ist schön und bedeutend durch den Menschen
Kein Dunkel erscheint in dem bläulichen Glanz
Allein die Liebe blüht leuchtend darin auf
Aus der Ferne küsste ich ihre blauen Augen
Und befeuchtete meine Lippen an Ozeanen

Kemal Yalcin – aus: Kavsak Kreuzung – Ein Lesebuch, Deutsch/Türkisch, Verlag Anadolu, 1995 (Wer es in Türkisch möchte, möge sich bitte bei mir melden.)

Möge Ihr Weihnachtsfest innen wie außen sternenübersät sein.

Das wünsche ich Ihnen von Herzen.
Maria Ast