„Dankbarkeit ist manchmal ein Band, oft aber eine Fessel.“ J.W. von Goethe
Liebe Leserin, lieber Leser,
ICH bin Ihnen ja sooooooo dankbar, dass Sie meinen Newsletter lesen. Und SIE sollten gefälligst dankbar sein, dass ich Sie hier mit News und Tipps und bewusstseins-erweiternden Worten versorge…
Und außerdem meinen ja viele Mütter, Blumenläden, Douglasfilialen, Vertreter von Kirche und Politik, dass Kind doch am Tag X den Müttern danken soll.
Sie merken schon: mit der Dankbarkeit ist das so eine Sache. Geben und erhalten wir sie reinen Herzens, erreicht sie auch unser Herz: wir freuen uns, sind be-rührt oder auch ge-rührt.
Das gilt sowohl, wenn wir jemandem „Danke schön!“ sagen, als auch, wenn jemand uns zurück meldet: „Ich bin dir dankbar!“
Dankbarkeit hat etwas mit Wertschätzung zu tun. Bemerke ich den Wert, hat etwas Wert für mich, dann fällt es leicht, zu danken. Das geht häufig ganz spontan. Ohne großes Überlegen oder großartiges Hin-und-her-wälzen von Pro und Contraargumenten kommt uns der Dank über die Lippen oder die geschriebenen Worte fließen uns wie von selbst aus der Feder. Das hat etwas Verbindendes, ist ein schönes Band.
Dankbarkeit, die eher einer Fessel gleicht, kennen Sie sicher auch. Das läuft meistens sehr subtil ab. Der andere fordert nicht direkt, sondern schiebt einem gekonnt Schuldgefühle und ein schlechtes Gewissen unter.
– „Ich war doch immer für dich da, Kind…“,
– „Habe ich mich nicht wie blöd für Sie eingesetzt beim Oberboss?“
– „Kannst du nicht wenigstens EINMAL auch auf mich Rücksicht nehmen?“
– „‚Du solltest dankbar sein Komma, dass du gesund bist, noch einen (wenn auch krankmachenden) Job hast, Kinder hast, keine Kinder hast, keine Glatze, eine Partnerin usw. usw. Dieser Relativierungs-Rat kommt besonders gut, wenn wir grad keine Ratschläge bräuchten, sondern Mitgefühl.
Sich selber die Fessel anlegen, das geht allerdings auch: ICH möchte auch mal ein Dankeschön hören, grummele Wolchen, Monate, Jahre innerlich rum, statt dem anderen zu signalisieren: Ich finde, ich habe ein Dankeschön verdient.
Wer das nicht kommuniziert, hat gute Chancen auf einen Burnout: Ich gebe noch mehr und mehr und mehr, in der immerwährenden Hoffnung, der Chef, die Kunden, der Partner, die alten Eltern, die Schüler, der liebe Gott werden eines fernen Tages doch noch erkennen, wie tüchtig, anders, besser, verantwortungsvoll, kümmernd… ich bin.
Es muss gar nicht Böswilligkeit des Gegenübers sein, wenn das Dankeschön ausbleibt. Viel häufiger ist Gedankenlosigkeit der Grund. Dankbarkeit hat mit Wertschätzung zu tun. Er/sie wertschätzt nicht (mehr), was ich tue. Vielleicht muss ich ihm den Wert tatsächlich mal wieder unter die Nase reiben, gar mit der Faust auf den Tisch des Hauses knallen oder in gesitteterer Kommunikationsform den anderen klar machen: ich tue etwas, was von Wert für dich bzw. euch ist. Und: das möchte ich wahrgenommen wissen.
Schönstes Ergebnis wäre, dass der andere tatsächlich erkennt: Mensch, hast ja recht. Ich bin dir wirklich von Herzen dankbar. Für SO ein Ergebnis gibt es keine Garantie, aber jedenfalls haben Sie aus Ihrem Herzen keine Mördergrube gemacht. Auch das befreit und erleichtert.
Welche Erfahrung haben Sie mit der Dankbarkeit gemacht? Fällt es Ihnen leicht zu danken? Können Sie Dank gut annehmen? Wie gehen Sie mit „Dankeinforderern“ um? Ist Achtsamkeit Voraussetzung für Dankbarkeit, was meinen Sie?
Hallo Frau Ast,
im Umgang mit einer „Dankbarkeitsfessel“ in Gestalt meiner Mutter ist mir irgendwann bewusst geworden, dass es mir besser geht, wenn ich von vorneherein für Geschenke und Dienste keinen Dank erwarte, sondern es für mich tue, weil ich Freude daran habe. Dann kann ich nicht enttäuscht werden, sondern eher positiv überrascht. Das gilt natürlich nicht immer, aber meistens 🙂
„Mit der Faust auf den Tisch schlagen“ oder „etwas unter die Nase reiben“ kann zur Klärung von Sachverhalten oder Situationen beitragen. Aber auf den so eingeforderten Dank kann ich gut verzichten.
Ich selbst bin für vieles dankbar, aber da wo es von Personen (und nicht von Gott) abhängt, ist es auch von diesen abhängig wie leicht es mir fällt, meine Dankbarkeit zu zeigen.
Und wenn mir jemand seine Dankbarkeit auf eine Weise zeigen will, die mich belastet, dann weiß ich mich inzwischen zu wehren, d. h. z. B. darauf hinzuweisen, dass ein gesprochenes „Dankeschön“ ausreicht.
Den Zusammenhang von Achtsamkeit/Wertschätzung und Dankbarkeit unterstreiche ich und schicke in diesem Sinne ein herzliches „Danke“ nach Bielefeld.
Hallo, liebe Regina Holzapfel,
Quote:“Mit der Faust auf den Tisch schlagen” oder “etwas unter die Nase reiben” kann zur Klärung von Sachverhalten oder Situationen beitragen. Aber auf den so eingeforderten Dank kann ich gut verzichten.
Ich stimme Ihnen zu, eingeforderter Dank fühlt sich mehr als schräg an. Ich hatte dabei auch eher Menschen im Blick, die überfunktionieren und still vor sich hin leiden, sich selbst zum Opfer und den anderen zum Täter machen sozusagen.
Kriegen sie FÜR SICH SELBST klar, was sie da leisten und das Wertschätzung seitens des anderen durchaus berechtigt ist, treten sie anders auf – und häufig ist es dann gar nicht mehr notwendig, diese Dankbarkeit auf ’so eine Art‘ einzufordern. Die kommt dann plötzlich durch das selbst-bewusstere Auftreten von ganz allein. Bleibt auch diese aus, tja, dann ist wohl dran, mutig Konsequenzen daraus abzuleiten – und tatsächlich den Job zu wechseln, den Pflegedienst für die Eltern zu aktivieren, die Küche mal ne Woche unaufgeräumt zu lassen, über Trennung nachzudenken, um nur ein paar Beispiele zu nennen.
Manchmal braucht ein „Dankeschön“ auch einfach seine Zeit, weil keine Zeit da war, es gleich und sofort zu sagen.
Meins für Ihren Kommentar und Ihre Worte brauchte genau eine Woche, kommt aber ganz uneingefordert und von Herzen!
Lieben Gruß aus Bielefeld
Maria Ast