Heute las ich in einem Newsletter folgenden Aphorismus – zum Thema ‚Arbeit‘ wohlgemerkt.

Ich schlief und träumte, das Leben sei Freude.

Ich erwachte und sah, das Leben ist Pflicht.

Ich tat meine Pflicht und siehe, das Leben ward Freude.

Rabindranath Tagore, bengalischer Dichter, Philosoph, Maler u. Komponist, 1861 – 1941

Die Aussage löste bei mir sehr zwiespältige Gefühle aus. Viele Menschen tun sehr wohl ihre Pflicht – und das nicht nur in und während der Arbeit und bei weitem stellt sich nicht für alle heraus, dass das Leben unbedingt dadurch freudiger wird.

Daneben erlebe ich häufig die gegenteilige Kategorie, solche, die tatsächlich glauben – und Medien, Ratgeber, Coaches, ja auch die, vermitteln die Botschaft – dass das Leben eine einzige Kür, ein einziges Happening sei und man/frau nur ein wenig sein Verhalten und seine Glaubenssätze ändern müsse – und schwupps, sei alles erreichbar: Arbeits-und Lebensfreude auf Knopfdruck, Erfolg, Gesundheit und immerwährende Glücksgefühle.

Mir ist beides zu kurz gegriffen: Es darf und muss auch neben der Pflicht noch so etwas wie die Kür geben, wozu Erfolg, Freude, Anerkennung, Begeisterung gehören, sonst droht früher oder später der Burnout. (Ganz abgesehen von der Frage, ob es nicht auch ein Recht auf Arbeit gibt….)

Andererseits kann ich nicht erwarten, dass meine Arbeit mir immer und allezeit nur Freude bereitet, Spass ohne Unterlass bringt und ein Tag ohne Selbstverwirklichung ein verlorener Tag ist. Selbst der berühmteste Maler muss irgendwann seine Steuererklärung machen (lassen), sich neue Farbe kaufen oder bestellen, will sagen, sich um Dinge kümmern, die weniger Spaß und direkte Freude bringen, als das Ausleben seiner Kreativität, sprich das Malen seiner oder ihrer Bilder.

Was mich noch stört: Hier wird Leben gleich Pflicht und Pflicht gleich Arbeit und Arbeit gleich Leben gesetzt. Das ist mir zu absolut betrachtet. Leben besteht eben nicht NUR aus Arbeit, sondern auch, wie viele es ja schon kapiert haben, darin, die Balance hinzukriegen zwischen Arbeit, Freizeit, Beziehung, körperlicher und geistiger Ertüchtigung, um das alte Wort mal wieder zu benutzen (statt Fitness).

Letztendlich kommt es wie bei allen Dingen darauf an, das recht Maß für sich selbst zu finden. Wem das gut gelingt, den würde ich schon als Lebenskünstlerin, als Lebenskünstler bezeichnen. Dies allerdings ist, will man/frau Meisterschaft in dieser Disziplin erlangen, eine lebenslange Aufgabe.

Haben Sie Freude daran!

Mit sommerlichen Grüßen