Alle Welt staunt und bewundert ihn, in den USA wird als Nationalheld gefeiert: der Pilot Chesley Sullenberger, der den Airbus sicher auf dem Hudson River ‚gelandet‘ hat. In Bruchteilen von Sekunden musste bzw. hat er entschieden, was er tun will.
Wie hat er das gemacht? Wie gelingt es Menschen, in extremen Situationen zu einer guten Entscheidung zu kommen, die, wie in diesem Fall, vielen Menschen das Leben rettet?
SCHNITT: Szene 1:
Denken Sie einen kurzen Moment an Ihre ersten Fahrstunden: Sie saßen verkrampft und hyperkonzentriert am Steuer, manch Straße erschien Ihnen quälend eng und zumindest mein Adrenalinspiegel stieg proportional zum Steigerungsgrad des Berges, an dem ich grad anzufahren versuchte…
Szene 2:
Heute fahre ich entspannt und zügig auch durch enge Straßen. Ich muss nicht mehr konzentriert und für meinen Hintermann gefühlte 3 Ewigkeiten abwägen: passe ich da jetzt durch oder nicht? Muss ich vor dieser Kurve bremsen oder nicht? Und selbst beim Anfahren am Berg gleicht mein Adrenalinspiegel der Oberfläche eines ruhigen Sees und keinem aufgewühlten Meer mehr: Ich kann auf Fahr-Erfahrung zurück greifen.
Exakt diesen Phänomenen geht Gerd Gigerenzer in seinem Buch „Bauchentscheidungen“ (Goldmann TB) nach. Er fand in vielen Untersuchungen bestätigt, dass und wann es Sinn macht, seinen Verstand aus- oder herunter zu schalten und auf den inneren Autopiloten umzustellen, um zu gleichen oder besseren Ergebnissen zu kommen.
So zeigte sich, dass z.B. erfahrene Golfer entschieden bessere Ergebnisse erzielen, wenn sie nicht über ihren Schlag nachdenken, sondern „einfach drauf los schlagen“, wohingegen Golfanfänger durchaus gut daran tun, sich mental und körperlich auf den Schlag zu konzentrieren, sich zu sammeln, den Schlag voraus zu denken, die Körperposition zu optimieren.
Das Gleiche trifft auf Fußballspieler zu: Kein Ballack hat die Zeit, genau zu überlegen, ob und wie und wann er denn nun genau den Ball abspielt – er verlässt sich im Augenblick des Spiels auf seine Intuition, seine Erfahrung, sein Gefühl (analysiert und nachgedacht wird nachher).
Zusammengefasst lautet die Strategie, die die meisten Menschen eh völlig unbewusst anwenden:
Wenn keine Zeit zum Nach-Denken ist, dann denk auch nicht nach, sondern hör auf deinen Bauch!
Die Sache hat allerdings einen Haken:
Erfolgversprechend ist sie ‚nur‘ – s.o. – wenn der Mensch über genügend Erfahrungen verfügt! Fehlt diese, fallen die Ergebnisse u.U. weniger befriedigend aus. Diese „negativen“ Ergebnisse werden dann als Erfahrung: „..nee, nicht gut, brauch ich nicht wieder!“ im sogenannten Emotionalen Erfahrungsgedächtnis gespeichert – und finden in einer ähnlichen zukünftigen Situation ihre Berücksichtigung.
Was heißt das nun auf unseren Helden vom Hudson bezogen? Er hat die Katastrophe verhindern können, weil er ein Mann mit großer Flugerfahrung und ein geübter Katastrophenpilot im Flugsimulator war. Weil er viel Erfahrung besitzt, hat ihm ’sein Bauch‘ die richtige Lösung blitzschnell mitgeteilt. Zuende gedacht, hätte es mit einem weniger erfahreren Piloten also durchaus zu einer Katastrophe kommen können.
Was heißt das für uns, für mich, für Sie?
Grämen Sie sich nicht, wenn Sie hin und wieder in extremen Stresssituationen scheinbar falsche Bauch-Entscheidungen treffen. Nehmen Sie eine fehler- und erfahrungsfreundliche Haltung ein. Führen Sie sich vor Augen: Jede Erfahrung trägt dazu bei, dass Sie das nächste Mal intuitiv und schnell besser entscheiden.
Bliebe allerdings noch unsere tief verwurzelten, inneren Werte zu hinterfragen, die – häufig genug völlig unreflektiert- sehr grundlegend mit darüber entscheiden: gut nur für mich oder auch gut für meine Mitmenschen und meine Umwelt?
Diese Entscheidung wiederum muss jede und jeder für sich selbst treffen – und verantworten.