Lebenskunst-Facetten
Die Last und Lust mit Lieblingsklamotten – Von Tchibo-Jacken und anderen Peinlichkeiten
Es gibt Kleidungsstücke, von denen kann ich mich nicht trennen. Sie sind mir sozusagen an Herz und Leib gewachsen. Eins dieser Lieblingsteile, eine schlichte, wärmende Sportjacke, stammt noch aus der guten alten Zeit, als Tchibo noch Qualität statt Quantität anbot. Herbstens wie winters trug ich sie/sie mich durch Wind und Wetter; 10 kilo rauf, 10 kilo runter, nichts nahm sie übel; gefühlte 1000 Wäschen und Schleudergänge überstand sie anstandslos. Will meinen: Nix zu meckern.
Dass ich doch haarscharf davor war, mich von ihr zu trennen, kam so: Ich walke regelmäßig. Das hat zur Folge, irgendwann auf immer dieselben Menschen zu treffen, die ihrerseits ihre Runden drehen. Macht ja nix. Kurzes Zunicken, ein knappgemurmeltes „Guten Morgen“ und das war’s.
Doch kürzlich stoppte jemand abrupt: Ob ich schon bemerkt hätte, dass meine Jacke kaputt sei? Oh ha, erwischt! Mist! Wie peinlich! …
Seit Wochen hatte ich mir vorgenommen, dieses klitzekleine Stückchen Seitennaht wieder zusammennähen. Wirklich! Aber irgendwie war immer irgendwas dazwischen gekommen. Mit Folgen! Mittlerweile war die Stelle so ausgefranst, dass ein Zusammennähen immer schwieriger wurde und je schwieriger es wurde, desto mehr drückte ich mich…
Entscheidungsstress oder Die Sache mit der Wahlfreiheit
Okay, dachte ich, nimm das jetzt als Zeichen, wolltest dir eh seit Jahren eine neue kaufen. Auf, auf und flugs eine erstanden. Was soll ich sagen? Ein Alptraum. Ein Fiasko. Gefühlte 899 Varianten starrten mich an: Softshell-Jacken (die waren mir zu poppig); Fleecejacken (die fühlten sich doof an); Running-Jacken, garantiert atmungsaktiv (die waren mir zu dünn); dann doch lieber eine mit Streeeetch? (für die fühlte ich mich zu dick); in anderen sah ich als, als wolle ich künftig nur noch Outdoor leben. Nach der vierten Sportabteilung gab ich erschöpft auf. Zufällig traf ich eine Freundin. Total entnervt klagte ich ihr mein Leid. Sie strahlte: „Mensch, Tchibo bietet doch diese Woche Sportartikel an. Geh doch da mal gucken!“
Sollte doch noch alles, alles gut werden? Frisch motiviert marschierte ich ins nächstbeste Tchibo-Depot – und hätte aus dem Stand schreiiiiien können! Was sah ich? Extraleichte Outdoorjacken, Softshelljacken, Fleecejacken, mit und ohne Futter…
Sollten Sie also jemanden mit einer altmodischen Tchibo-Jacke durch die Gegend walken sehen: Isch binnet, de Mary. Noch eine winzige Bitte: Schauen Sie nicht so ganz genau hin. Noch ist die rechte Seitennaht ausgefranst. Noch! Aber, ich bin wild entschlossen, sie zu reparieren. Wirklich. Bald. Ganz bestimmt. Obwohl, eigentlich könnte ich schon die dünne Walkingweste rausholen. Hm, wo hatte ich die gleich noch mal hingepackt?
Mit einem sportlichen „Immer schön locker bleiben!“ grüßt Sie bis zum nächsten Mal
Ihre Maria Ast
Kolumne: zuerst erschienen unter Lebenskunst-Facetten im Stadtmagazin Spenger Echo, Ausgabe 05/2015 – KV-Verlag Claudia Vogt. Meinen nächsten Kolumnenbeitrag finden Sie im Lebenskunstblog am Mittwoch, 03. Juni 2015.
PS: Ich traute grad meinen Augen nicht: Wenn ich einen neuen Artikel schreibe, erscheinen unten AUTOMATISCH Verlinkungen – und was stand als Erstes da??? Ein Artikel zum selben Thema! und selber Jacke!! – und der stammt aus dem Jahre 2011. Sie sehen: Ich sag die Wahrheit! Sie ist alt! Und meine Überforderung mit dem Überangebot ebenso…