There is life beyond!, bestätigten mir viele auf meiner Geburtstagfeier: Ich bin 60 geworden. Ein Datum, das im Vorfeld nicht nur reines Entzücken bei mir wachrief, hatte ich doch mit 50 mein Leben nochmal völlig umgeworfen, eine Coachingausbildung gemacht, alle vorherigen Ausbildungen und Kenntnisse plus reichlich Lebenserfahrung zusammengebündelt und mich energie- und motivationsgeladen selbständig gemacht!

An Motivation fehlt es mir beileibe auch 10 Jahre später noch nicht. Im Gegenteil. Zum Coaching, was Prozessbegleitung meint, hat sich viel Grundlegenderes dazugesellt: Die Liebe zur Weisheit, zur Philosophie. Ohne Denken geht bei mir gar nichts mehr. Und das ist gut so, nicht nur für mich, sondern auch für meine Kundinnen, denn die – egal ob 20 oder 50 – sind in der Regel an einem Punkt, wo der Energiefluss heftig ins Stocken geraten ist – oder burnoutbedingt dem Nullpunkt zustrebt.

Und was TUN die meisten dann? Sie TUN, obwohl genau das ihr Problem ist. Die meisten haben schon zig Dinge gemacht, probiert, gemacht, getan, nur um festzustellen, dass das die Energien noch mehr strapaziert und reduziert hat. Innehalten, Nachdenken, Nachspüren, sich auf sich besinnen, sich wieder auf sich konzentrieren lernen, Entscheidungskompetenz erlangen, die sie für oder gegen etwas entscheiden lässt, das erleichtert das Leben sofort und ungemein. Meins und das meiner KundenInnen ebenfalls.

Energielosigkeit: Ein Makel?

Das am Rande, worum es hier eigentlich gehen sollte, ist die Tatsache, dass die Energien mit zunehmendem Alter einfach weniger werden bzw. die Regenerationszeiten, die ich mental und körperlich benötige, um meine Batterien wieder aufzufüllen, enorm gestiegen sind. Das ist dem Alter(n) geschuldet. Und um Energielosigkeit generell.

Wo ist das Problem? Ich glaube, es ist eins, das ich mit vielen – immer jüngeren – Menschen teile:  Die Frage, wie gehe ich mit fehlender Energie, mit dem Gefühl von Kraftlosigkeit, dem Eindruck, ich allein hänge den Fitten/“fitten“ Silveragers hinterher, um?

Sie reisen, radeln, kraxeln die Berge rauf und runter. Sie besuchen ein Event nach dem anderen oder, auf meine Zunft bezogen, sind noch der Lage ein Training/Coaching/Seminar nach dem anderen zu geben, während ich mich frage, ob ich wirklich noch ein 2-tägiges Lebenskunst-Seminar mit 14 Teilnehmerinnen energetisch durchstehe.

Und so falle ich beschämt heimlich im Kämmerlein zurück in alte Denkmuster : Hey, Maria, DU bist nicht in Ordnung! Deu solltest, könntest, müsstest…  Spätestens dann fange ich an mit Denken:

‚In Ordnung’hieße in diesem, meinem Fall, bitte schön was? Dauerenergievoll zu sein oder berechenbar energievoll – oder zumindest zu erscheinen. Jaja, der Schein, der trügerische! Meine Erfahrung ist: Gebe ich erst zu, dass ich mit Energielosigkeit – körperlich und in Folge mental – kämpfe, dass mich deswegen zuweilen Existenzängste befallen, dass ich mich im Dauervergleich mit anderen – selbstverständlich kraft- und energievollen – bescheiden abschneide, dass ich mich schäme Komma weil…, nicken plötzlich sehr Viele sehr verständnisvoll.

Ich frage mich selbst immer wieder: Warum haben viele KUndenInnen, warum habe ich solche Schwierigkeiten zuzugeben, dass ich nicht dauertopfit (mehr) bin? Es hat was mit besagter Scham zu tun. Nicht-kraftvoll-sein – geschweige krank, depressiv, nicht belastungsfähig – wird in einer Zeit, die Fittheit – körperlich wie mental – zum einzig wahren Gott erhoben hat, mit Schwäche, mit nicht gut sein = „böse“ gleichgesetzt.  Und was tut der bös-moderne Mensch? Er sucht die Schuld alleine bei sich – und bucht das nächste Selbst-Motivations- und/oder Selbstverbesserungsseminar und natürlich geht er oder sie in der zeit- und vor allen Dingen energieknappen Zeit noch 3 mal ins Fittnessstudio… Ha! Schäm dich! Wer will schon schwach UND „böse“ sein?

Innehalten, „böse“-werden, infrage stellen –  statt Fittness-Management

Wie war das noch? Brave Mädchen kommen in den Himmel, böse kommen überall hin? Ja, hab ich auch mal auf meinem T-Shirt getragen. Vielleicht wird es an der Zeit mal wieder „böse“ zu sein, aufzubegehren gegen den Trend, z.B. nun auch im Alter immer noch (wem eigentlich?) beweisen zu müssen, wie fit und belastungsfähig und sportlich und schlank und schön und positiv-zukunftszugewandt ich doch bin.

Nee, ich gehe jetzt erst mal schön in Urlaub. Energien auffüllen! Aber nicht, um irgendwem meine Fittness noch beweisen zu müssen, sondern um Kraft zu haben, ein, mein, das Recht auf Kraftlosigkeit einzufordern, zu ermutigen, sich für energielose Zeiten nicht mehr schämen zu müssen/zu wollen, für den Aufruf: Hinterfragt! Hinterfragt alle Zeitmanagementtrainings und Fittnessbotschaften der allzu billigen Art! Wenn schon Management dann: Energiemanagment vor Zeitmanagement. Wohin wollt Ihr welche Ergien stecken? Wer oder was zieht sie Euch ab? Von wem – welchen Normen, Erwartungen, Botschaften – lasst Ihr sie Euch abziehen? Und: Hört auf, Euch für energielose Zeiten zu schämen. Es gibt sie. Punkt.

Ich jedenfalls habe vor, mit meinen energielosen Zeiten offener umzugehen. Vor Ort und hier im Blog. Punkt. Stellt was sicher? Ein Tabu auf den – öffentlichen – Tisch zu legen. Um dem Tabu seine unterschwellig destruktive Macht zu nehmen.