Das Thema Entscheidungen spielt in meinen Coachings immer wieder eine große Rolle. Besonders wenn es um berufliche Veränderung geht, tun sich viele schwer damit.Das liegt an verschiedenen Faktoren, die sich – trotz aller individuellen Lage-  in vielen Coachings als typisch herausgestellt haben. Ein Beispiel aus der Praxis:

Der Kunde, nennen wir ihn Jim,  Alter 30plus, berichtet: Er hat einen interessanten Job, der ihn viel durch die Welt bringt, in dem er interessante Menschen trifft, in dem er gut verdient, naja, nicht immer, er war selbständig und so hat er das mittlerweile geändert: Er ist nun in Festanstellung. ABER die Arbeitszeiten sind nachwievor chaotisch, das viele Reisen ist nicht weniger geworden, auch die Wochenenden sind nicht frei, die Beziehung und ’sein‘ Leben, seine Hobbies, Freunde, Familie scheinen nachwievor dabei drauf zu gehen.  Er müsse sich innerhalb der nächsten 2 Wochen entscheiden, ob er einen völlig anderen Job annehmen solle. Sein Hauptproblem: Er könne sich immer  ganz schlecht entscheiden.

Im Laufe des Coachings zeigten sich typische Entscheidungs-Verhinderer. Häufig sind sie unbewusst.

  1.  Der Glaube an absolute Sicherheiten, absolute Garantieren, dass seine Entscheidung sich als ‚richtig‘ herausstellen wird.
  2. Der Traum von einem Traumjob
  3. Die Erwartung, Lebensentscheidungen müssten leicht sein.
  4. Entscheiden funktioniert immer durch Nachdenken plus Nachfühlen.
  5. Ausblenden, Nicht-auf-die-leisen-Innenstimmen hören, sprich Verdrängen, sei die beste Lösung.
  6. Keine wirkliche Alternative im Kopf haben
  7. Die negative Bewertung der Entscheidungsblockade.

Zu 1. – Das ist unglaublich, wie zäh sich diese Überzeugung und Erwartung und Glaube selbst in den intelligentesten Köpfen hält: Die Illusion, dass es eine absolute Garantie, eine absolute Sicherheit für irgendetwas im Leben gibt. Die gibt’s nicht. Fertig. Punkt. Das haben wir als Denkende und Erwachsene zu akzeptieren und in unseren Entscheidungen schlicht zu berücksichtigen. Das ist Ernüchterung pur, das ist Desillusionierung, ja aber, eine, die haha, garantiert vor viel Ent-Täuschungen bewahrt.

Zu 2. – Auch hier wie vor: Es schier unglaublich, wie sehr heutige Menschen sich von der irrigen Annahme leiten lassen, ein Traumjob müsse es sein! Darunter tun wir es – das Arbeiten – gar nicht mehr. Frage ich dann: Woran würden SIE denn IHREN Traumjob überhaupt erkennen? herrscht meistens erst mal Schweigen im Walde. Häufig stellt sich raus, dass es eher diffuse Vorstellungen und aus Medien übernommene Werte sind – und mit ihren eigentlichen „Träumen“ von Beruf und Leben wenig zu tun haben. Hier macht Nachdenken sicher Sinn, denn ohne klare Vorstellung vom Traumjob – gleiches gilt übrigens für Traumfrau, Traumfigur etc. etc. – werden Sie ihn oder sie sicher nicht erkennen!

Zu 3. – Wenn KundenInnen sagen: Ach, ich kann mich so schlecht oder gar nicht entscheiden!, , dann sind sie in der Generalisierungsfalle. Ich halte gegen: Überlegen Sie noch mal, WO und WIE häufig Sie sich gestern, letzte Woche…. in bestimmten Lebenssituationen entschieden haben. Ach ja, stimmt ja. Erkenntnis: Ich habe keine GENERELLE Entscheidungshemmung, sondern gerade jetzt, wo es um wirklich Richtungsweisendes in meinem Leben geht. Lebensentscheidungen sind nicht der Normalfall, sie sind der existenzielle SPEZIAL-Fall. Und den handelt man(n) mal nicht so gerade ab! Im Gegenteil: Es macht Sinn, VOR-Sicht walten zu lassen! Alles andere wäre Kinderkram, nämlich naives, blindes Vorwärtsschreiten unter Auslassung jeglicher Überlegung. Coaching hilft ja bekanntlich auch dadurch, dass man Menschen ihre Ressourcen wieder bewusst macht. Z.B. durch die Frage an Jim: Wo haben Sie denn schon mal eine Lebensentscheidung GUT gemeistert? Ach ja, bei meiner ersten Berufsstandort: München. Da bin ich hingefahren, das gefiehl mir, das war’s. Wo also liegt der Unterschied zur jetztig anstehenden Entscheidung: alten Job behalten? oder Was völlig Neues anfangen?  Die Antwort finden Sie unter Punkt 4.

Zu 4. – Bei München hatte er ein konkretes und schönes Bild vor Augen! Nicht immer und überall hilft bloßes Nachdenken oder Nachfühlen, um zu einer wirklich stimmigen Entscheidung zu kommen. Manchmal hilft einfach nur Ausprobieren, Angucken in der Realität. Ich KANN nicht wissen, ob ich in einer WG glücklich bin, wenn ich es nicht ausprobiere. Ich KANN nicht wirklich gut beurteilen, ob ich lieber in einem großen oder kleinen Betreib arbeite, wenn ich es nicht ausprobiert habe. Ich kann nicht wissen, ob der 40-Stunden-Job mir tatsächlich besser gefällt als meine Selbständigkeit, wenn ich es nicht ausprobiere. Oder um es mit einem Spruch von Konfuzius zu verdeutlichen: „Der Mensch hat drei Wege, klug zu handeln. Erstens durch Nachdenken: Das ist der edelste. Zweitens durch Nachahmen: Das ist der leichteste. Drittens durch Erfahrung: Das ist der bitterste.“  Manchmal hilft eben nur Erfahrung, und die muss, hier widerspreche ich Konfuzius vehement, nicht nur bitter sein, sondern auch sehr, sehr bewegend und süß und entscheidungsförderlich!

Zu 5. – Postponing gratification heißt das in der Fachsprache: Die Fähigkeit, etwas, das wir JETZT gerne tun würden, aufzuschieben, zugunsten eines höheren Ziels/Gewinns/Ergebnisses. Kinder werden erst mit 6 Jahren eingeschult, weil sie etwa ab dem Alter fähig sind, ihre Spontanbedürfnisse zugunsten eines ‚höheren Gewinns‘ zurückzustellen: Plattes Beispiel: Sie machen zuerst ihre Hausaufgaben, damit sie nachher unbeschwerter frei haben. (So war es jedenfalls zu meiner Zeit. Heutzutage stellt sich eher die Frage: Haben die Kids überhaupt noch sowas wie freie Zeit? Na, dieses Thema gehört hier nicht her.) Was hat das mit dem Ausblenden von inneren, leisen Stimmen zu tun, die uns eigentlich warnen? Viel. Wer zu spät auf seine inneren Hüter, Mahner, Beschützer hört, sie geflissentlich überhört, der glaubt (unbewusst) immer noch, Verdrängung sei der beste Weg mit Konflikten, Entscheidungen, Beziehungen umzugehen. Ein fataler Irrtum: Er oder sie schiebt die unvermeidbare Auseinandersetzung, das Nachdenken darüber nur auf. Hätte er oder sie früher auf sich gehört, hätte er oder sie noch einlenken können, wären ihm oder ihr der Burnout, die Scheidung, die ‚falsche‘ Entscheidung erspart geblieben. Die Lösung lautet: Lieber früher durch das ’schlechte‘ Gefühl gehen, um so späteres Leid zu vermeiden.

Zu 6. – Entscheidungsblockaden werden immer wieder was Schlechtes bewertet inkl. des Anspruchs: „Ich muss das/sie überwinden!“ Hilfreich ist hier eine Haltungsänderung Blockaden gegenüber: Sie sind Hüter. Sie sind Soul- und Life-Guides. Sie wollen uns/Sie vor Schlimmem bewahren. Leider mitunter mit alten, längst überholten und ausbremsenden Strategien. Der Königsweg bezüglich Blockaden – oder Hüter – lautet nach wie vor: Bewusst machen – ihre Beschützerbotschaft zu dekodieren – und mit besseren Strategien dafür sorgen, dass ich mir keine Sorge mehr um…. machen muss.  Nebenbei bemerkt ist das eins meiner Spezialgebiete: Menschen – ohne ellenlanges Therapieren und 1000-seitigen Langtextratgebern – dabei zu helfen, innere Blockadenmuster zu erkennen  und zu überwinden.

Und noch eine letzte Lebenskunstanmerkung: Entscheidungen können auch aufgeschoben werden, weil uns das suggeriert, dass uns noch ALLE Möglichkeiten offen stehen. Ein Waaahnsinnsgefühl für unseren Freiheitssinn! Totale Freiheit hat aber ihren Preis und der heißt totale Unverbindlichkeit. Unverbindlichkeit produziert Unverbundenheit – und das Gefühl von Beliebigkeit und letztendlich Einsamkeit. Lebenskunst besteht darin, nicht in die Übertreibung abzudriften: Nicht die totale = maß-lose Freiheit heißt das Ziel, sondern sich in einem guten Maß verbindlich festzulegen wissen. Dann sind Entscheidungen Beiträge zu einer verbindlichen und letztendlich verbindenen Lebensführung.